Meisterhafte Oboenklänge
KAMMERORCHESTER AN DER TU DARMSTADT
Der Solist Michael Höfele sorgt für Höhepunkte im bravourösen Frühjahrskonzert
GROSS-UMSTADT/DARMSTADT – Bei Bellini, Donizetti und Puccini denkt man an die Opernwelt von „Norma“, „Lucia di Lammermoor“ und „Tosca“. Der Dirigent Arndt Heyer und sein Kammerorchester an der TU Darmstadt hatten sich für das Programm ihrer Frühlingskonzerte in der Groß-Umstädter Stadthalle und der Eberstädter Christuskirche jedoch den unbekannteren Instrumentalwerken dieser Opernkomponisten zugewendet. Der Star, der alle Belcantosängerinnen hinter sich lässt, war hier die Oboe, gespielt von Michael Höfele vom HR-Sinfonieorchester.
Virtuos, sinnlich und expressiv
Nachdem das Orchester Vincenzo Bellinis kurzweiliges „Konzert für Oboe und Orchester in Es-dur“ mit einer opernhaften Einleitung eröffnet hat, hebt Höfele an, mit seinem Instrument wahrhaft zu singen. Mit verführerischem Ton spielt er sich virtuos durch die sinnliche Melodik des Stücks. Das komplexere „Concertino für Englischhorn und Orchester in G-dur“ von Gaetano Donizetti gilt aufgrund seiner Virtuosität und Expressivität als Maßstab für Englischhorn-Spieler, und Höfele beherrscht auch die größere Schwester der Oboe mit warmer Tongestaltung und präziser Fingertechnik traumwandlerisch sicher. Über der zurückhaltenden Begleitung von Streichern, Holzbläsern und Hörnern nutzt er die gegebene Rondoform, um gefühlvoll zu den variierenden Melodiebögen anzuheben. Die raschen, sich endlos steigernden Passagen erlauben dabei Kapriolen, die ein Sänger nicht hätte ausführen können. Spätestens hier erklärt sich der Titel des Konzertabends: „B(g)lühende Oboe“.
Zwischen den beiden Solowerken beleuchten die Streicher des Orchesters einen anderen Aspekt der Opernwelt in Giacomo Puccinis „Crisantemi“, die der Komponist drei Jahre später in seiner Oper „Manon Lescaut“ für die Sterbeszene der Titelheldin wiederverwendete. Arndt Heyer arbeitet alle vier Stimmen klar heraus und formt gleichzeitig einen runden, düsteren Gesamtklang: Vor dem inneren Auge entsteht wahrhaftig eine dramatische Todesszene. Bravourös gelingt dem Orchester anschließend der Stimmungsumschwung zu den leichtfüßigen „Drei Menuetten“ des jungen Puccinis.
Dass Bizet neben seiner weltberühmten Oper „Carmen“ auch ein meisterliches Instrumentalwerk geschaffen hat, demonstriert das durch Pauken und weitere Bläser aufgestockte Orchester mit einer lebendigen Wiedergabe der „Sinfonie Nr. 1“. Streicher und Bläser geben die Themenkontraste zwischen spritziger Leichtigkeit und bedrohlichem Pathos gekonnt wieder. Die filigrane Melodieführung verlangt den hohen Streichern dabei alles ab, und Björn Reichert an der Oboe führt das Motto des Abends mit blühenden Soli im ersten und zweiten Satz wunderbar weiter. Auch bei der Zugabe bleibt das Orchester mit Richard Wagners Wesendonck-Lied „Träume“, einer Studie zu „Tristan und Isolde“, der Opernwelt treu.
Darmstädter Echo, 14. Mai 2018, Stefanie Steinert