Mal tröstend, dann bedrohlich

Beim Konzert des Kammerorchesters an der TU Darmstadt glänzt die 18-jährige Bratschistin Carla Usberti

REINHEIM/DARMSTADT – Das Kammerorchester an der TU Darmstadt trumpft in seinem jüngsten Konzert wieder einmal mit den Stärken auf, für die es so geschätzt wird: mit der Präsentation packender, selten gespielter Werke unter einem geistreichen Motto, einem frischen, homogenen Orchesterklang sowie der Förderung einer jungen Künstlerin oder eines jungen Künstlers mittels eines Engagements für ein Solokonzert, hier die junge Bratschistin Carla Usberti aus Landshut. Unter dem Titel „Stilwandel“ begeistert das Orchester unter der Leitung seines Dirigenten Arndt Heyer in der Reinheimer Dreifaltigkeitskirche und der Darmstädter Orangerie mit der Opernouvertüre „Die Prüfung“ von Louis Spohr, dem Rhapsody-Concerto für Viola und Orchester von Bohuslav Martinu sowie der Ersten Serenade op. 11 von Johannes Brahms.

Im Zentrum steht Martinus zweisätziges Rhapsodie-Concerto, das 1952 in New York entstand, als der wandlungsfähige tschechische Komponist begann, die Neoromantik für sich zu entdecken. Die erst 18-jährige Carla Usberti – sowohl mit der Bratsche (2019) als auch dem Klavier (2017) erste Preisträgerin beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ und 2019 mit dem Sonderpreis des Kammerorchesters an der TU Darmstadt ausgezeichnet – ist dabei die Überraschung des Abends. Mit ruhigem, fließendem Ton wandelt Usberti durch Martinus fantasievolles Spiel von Rhythmen und Motiven und ergründet den mal tröstenden, mal bedrohlichen Charakter dieses tiefsinnigen Werks mit reifem Spiel. Das Orchester greift diesen Duktus wunderbar auf und geht mit der Solistin in den sinfonischen Passagen eine klangintensive Symbiose ein. Das begeisterte Publikum in Reinheim möchte Usberti gar nicht mehr ziehen lassen, und so macht die junge Bratschistin mit einer äußert leichtfüssigen Interpretation der Bourrée aus Bachs Cello-Suite Nr. 3 nochmals beste Werbung für die oft so vernachlässigte große Schwester der Violine.

Brahms hatte mit dem Stilwandel mehr zu kämpfen als Martinu, als er 1860 seine Erste Serenade für Orchester komponierte, weil er sich nach Beethovens Könnerschaft noch nicht an die verpflichtende Gattung der Sinfonie heranwagte. In dem Herzstück dieser sinfonischen Serenade, dem innig-ausdrucksvollen Adagio, gelingt dem Kammerorchester an der TU Darmstadt eine warm strömende Streicherkantilene im Zusammenspiel mit den klangstark aufspielenden Hörnern, die gemeinsam mit den anderen Blech- und Holzbläsern auch in den anderen Sätzen gekonnt Akzente setzen. Brahms’ Wandel zu einem eigenen sinfonischen Stil scheint nach der Wiedergabe dieses Orchesters aufgegangen zu sein.

Darmstädter Echo, 10. März 2020, Stefanie Steinert