Stimmungsvolles Zusammenspiel
Konzert: Zwei Kammerorchester verschmelzen in Eberstadt zu einem machtvollen Klangkörper
DARMSTADT. Als in den 1920er Jahren die ersten Kammerorchester moderner Prägung gegründet wurden, wollte man der allgemeinen Tendenz zu immer größeren Orchestern entgegenwirken. Der Klang sollte wieder transparenter werden, um den einzelnen Instrumentalstimmen mehr Gewicht zu verleihen. So gesehen, wirkt es zunächst widersprüchlich, zwei Kammerorchester zusammenführen zu wollen.
Andererseits können so, wie am Samstagabend in der Eberstädter Christuskirche, spannende Synergien entstehen. Das Kammerorchester der Technischen Universität Darmstadt hat das Zürcher Kammerorchester „ARGETon” zu einem gemeinsamen Konzert eingeladen. Beide Klangkörper addiert ergeben kein konventionelles Orchester, sondern vielmehr einen voluminösen Streicherapparat, der durch ein feines Bläserensemble komplettiert wird. Die Leitung übernimmt der frisch vom Staatstheater Mainz zum Ersten Kapellmeister verpflichtete Andreas Holz, der mit seiner gefühlvolldynamischen Führung begeistert.
Voller Leichtigkeit und Wärme entfaltet sich das sinfonische Gedicht „Pastorale d’été” von Arthur Honegger. Die ruhigen Orchesterfarben werden nur im Mittelteil von einem lebendigen und mehrstimmigen Instrumentalspiel aufgemischt. Die ästhetische und zeitliche Nähe zu den Kompositionen Claude Debussys ist deutlich zu hören. Dem gegenüber ist das Landschaftsporträt des finnischen Komponisten Joonas Kokkonen von einer tristen Atmosphärebestimmt. Einzelne Instrumente verlaufen sich in einer von Dissonanz geprägten Welt. Gerade im Werk Kokkonens wird höchste Konzentration gefordert, die von den Laienmusikern mit beeindruckender Souveränität gemeistert wird.
Die vielleicht raffinierteste Komposition ist die „Fantasia on a theme by Thomas Tallis” des Engländers Ralph Vaughan Williams. Geschickt arbeitet Williams die melismatische Melodie des frühbarocken Psalms in sein spätromantisches Instrumentalstück, ein. Der volksmusikalische Ton. überdeckt eine latente Spannung, die sich im Verlauf des Werkes für einen Moment aufbäumt und gegen Ende wieder verstummt.
Unorthodoxes, aber gelungenes Programm
Selbst in dem rasanten Scherzo der „Serenade für Streicher op. 11″ des Schweden Dag Wiren verlieren die Musiker nicht die Übersicht und riskieren lieber mal eine unsaubere Intonation, als an Dynamik einzubüßen. Einen unbeschwerten und lebensfrohen Abschluss bilden die fünf „Bagatellen op. 47″ von Antonin Dvorak, die zyklisch miteinander verbunden sind. Das Ausgangsmotiv des eröffnenden Allegretto ist weiterführendes motivisches Material der Folgesätze. Völlig zu Recht gibt es großen Beifall für die Musiker, die mit ihrem unorthodoxen, aber gelungenen Programm ihre Gäste zu Jubelstürmen verleiten.
Christian Chur