Ein Jux schaut um die Ecke

KONZERT

Kammerorchester an der TU Darmstadt spielt mit dem Kölner Quartett Uwaga

DARMSTADT – Zwei Ensembles wollen mehr. Und dafür tun sie sich am nächsten Wochenende zusammen: Das Kammerorchester an der TU Darmstadt ist mit dem Dirigenten Arndt Heyer immer auf der Suche nach einer stilistischen Bereicherung seiner Möglichkeiten. Im vergangenen Jahr komponierte Jürgen Wuchner eine Jazz-Symphonie für die Musiker. Diese Herausforderung war so schön, das Ergebnis so gelungen, dass jetzt das nächste Crossover-Programm der eigentlich klassisch ausgerichteten Musiker angegangen wird: ein gemeinsames Konzert mit dem Kölner Uwaga-Quartett. Das ist seit 2007 erfolgreich damit beschäftigt, vermeintlich bekannten Werken neue Facetten abzugewinnen. Zum Beispiel auf der jüngsten CD „Mozartovic“, die musikalisch von der fiktiven Balkanreise Mozarts erzählt und seine Kompositionen mit Akkordeon und Gypsy-Sound weiterspinnt.

Seit ein paar Jahren sind die Uwaga-Musiker aber auch auf der Suche nach anderen Ensembles. „Wenn man immer nur im Quartett unterwegs ist, kennt man nach ein paar Jahren alle Geschichten der anderen“, erzählt der Geiger Christoph König. Es ist aber vor allem die Suche nach der musikalischen Erweiterung. „Wie kann man einen klassischen Orchesterklang zusammenbringen mit unseren musikalischen Grooves?“ Das hat die Uwaga-Musiker umgetrieben. „Es geht nicht darum, Melodien zu verjazzen oder einfach ein Schlagzeug drunterzulegen“, sagt König. Sondern um die klingende Analyse des musikalischen Materials. „Das ist immer wieder ein Experiment, aus dem Neues entsteht.“ Das Material wird zerlegt und so zusammengesetzt, dass Neues entsteht, der Ursprung aber erkennbar bleibt.

Geige trifft verliebtes Akkordeon

Mit dem Folkwang-Kammerorchester in Essen hat Uwaga das schon erfolgreich praktiziert und mit den Dortmunder Philharmonikern. Vor drei Jahren riefen sie auch in Darmstadt an auf der Suche nach Partnern für „Uwaga plus“. Es hat ein Weilchen gedauert, bis die Zusage kam. Das Kammerorchester an der TU hatte damals gerade einen Dirigentenwechsel zu bewältigen. Am nächsten Wochenende aber hat das gemeinsame Projekt Premiere, und beide Partner haben eine Menge Arbeit investiert. Uwaga hat eigens für die Darmstädter Arrangements geschrieben – da trifft das Sibelius-Violinkonzert ein verliebtes Akkordeon, sogar das berühmte Adagietto aus der fünften Mahler-Symphonie haben die Musiker sich anverwandelt.

Die Proben waren für das Darmstädter Orchester eine Herausforderung. Schon durch die straffen Tempovorgaben, Edward Elgars berühmte „Pomp and Circumstances“ beispielsweise werden ungewohnt flott marschieren. Zur Vorbereitung haben die Kölner Musiker Aufnahmen produziert, damit ihre Darmstädter Kollegen sich besser vorstellen können, was sie im Zusammenspiel erwartet. „Für das Orchester ist das ungeheuer inspirierend“, hat Stephan Kahlhöfer erlebt, Cellist, Organisator und ehemaliger Dirigent des Orchesters. Und man profitiert ganz praktisch. Wenn in den geraden Rhythmus mal ein Fünf-Achtel-Takt hineinpurzelt, lernt man eine Flexibilität, die auch später nützlich sein wird.

Schon Wuchners Jazz-Symphonie im vergangenen Jahr war hohe Messlatte und Bereicherung zugleich. Klar, in einem großen Klangkörper gibt es immer auch Mitglieder, denen das klassische Musizieren ausreichen würde. „Für viele ist es ja auch schwer abzuschätzen, worauf sie sich da einlassen“, sagt Kahlhöfer. Aber der respektvolle Umgang mit dem Original überzeugt auch sie. Spätestens dann, wenn ab Donnerstag mit Uwaga geprobt wird. „Wir schielen nicht nur aufs Publikum“, verspricht König, „wir achten darauf, dass die Orchester ihre Stärken ausspielen können.“

Das darf Spaß machen, aber ein reiner musikalischer Jux ist es nicht. „Auch wenn der mal um die Ecke schaut“, sagt Uwaga-Geiger Christoph König. Für ihn bringt das Konzert ein Wiedersehen. Sein Vater war Musikschulleiter in Bad Vilbel, und der Sohn durfte mit zehn zum ersten Mal im Orchester mitspielen, beim Karneval der Tiere. Damals war Arndt Heyer der Konzertmeister – heute steht er am Pult des TU-Kammerorchesters.